Vor allem in der Fashion- und Lifestylefotografie ist extreme Fotobearbeitung gängige Praxis. Schlanke Models werden fürs Foto noch ein wenig mehr verschlankt, Übergrößen-Models spart man sich ganz und erschafft mittels Photoshop künstliche Rundungen. Aber wie weit dürfen Fotografen beim Bearbeiten von Bildern eigentlich gehen? Ab wann wird ein Bild zur Lüge?
Wenn es um den Grad der Bildbearbeitung geht, müssen wir natürlich erst einmal zwischen verschiedenen Bildgattungen unterscheiden. Ein Pressefoto sollte ein verträgliches Maß an Fotobearbeitung nicht überschreiten, schließlich soll es authentisch bleiben und Realitäten widerspiegeln. Ein Foto, das auf einer Kunstausstellung gezeigt werden soll oder zu Werbezwecken gemacht wurde, ist vielleicht ganz bewusst verfremdet worden, weil der Fotograf einen bestimmten Effekt erzielen will – durch eine sattere Farbe beispielsweise, durch Montage oder mehr Kontrast.
Verfremdung versus Authentizität – wieviel Veränderung macht Sinn?
Unter Fotografen gibt es ein ungeschriebenes Gesetz hinsichtlich der Fotobearbeitung. Alles, was auch in der Dunkelkammer – also im Rahmen der klassischen Bildbearbeitung – möglich ist, sollte auch beim Nacharbeiten mit Software (wie Photoshop oder Lightroom) das Maß der Dinge sein. Das bedeutet: Ein bisschen an der Farbe drehen, am Licht schrauben oder die Sättigung des Bildes zu optimieren ist ok und sollte im Sinne eines professionellen Ergebnisses auch getan werden.
Beim Bearbeiten auf Mittel wie Retusche oder Montage zurückzugreifen, ist eine Frage des Bildzwecks. Hier muss sich der Fotograf in Erinnerung rufen, wofür er das Foto erstellt hat und wo es veröffentlicht werden soll. Oder anders gewendet: ob es sich um ein arrangiertes Bild (also ein bewusst gestelltes Foto) handelt oder ob eine Szene ganz spontan eingefangen worden ist (ein Unfall, eine Demonstration, ein Gewitter). Werden im letzteren Fall Bildelemente einfach mit Bildbearbeitungsprogrammen wegretuschiert, entfernt sich die Aufnahme von der Realität. Genau diese zu zeigen, war aber ihr Anspruch. Das Foto verliert also bei zu starker Verfremdung an Glaubwürdigkeit.
Bildbearbeitung – immer eine Fall-zu-Fall-Entscheidung
Verfremdung durch moderne Bildbearbeitungsprogramme kann sogar zu mehr Authentizität verhelfen. Warum? Oft führen technisch bedingte Probleme (ungünstige Lichtverhältnisse zum Beispiel) zu einer Aufnahme, die mit der Linse eingefangen ganz anders wirkt als mit dem menschlichen Auge wahrgenommen. Denn unser Gehirn hat modernen Kameras noch einiges voraus. Es bearbeitet wahrgenommene visuelle Reize ganz automatisch so, dass wir immer das bestmögliche Ergebnis erhalten. Eine technisch hochwertige Fotobearbeitung in einem professionellen Bildbearbeitungsprogramm macht ein Bild also unter Umständen sogar natürlicher.
Grenzen der Fotobearbeitung – eine Frage der Ethik?
Wir kennen eine ganze Reihe von Fällen, in denen Bilder aufgrund ihrer starken Bearbeitung in die Kritik gerieten. Das Welt-Presse-Foto 2012 zum Beispiel wurde aufgrund seiner starken Nachbearbeitung heftig diskutiert. In der Kriegsberichterstattung gibt es immer wieder Fälle von manipulierter Wirklichkeit. Der australische Kriegsfotograf Frank Hurley zum Beispiel manipulierte im ersten Weltkrieg seine heute wohl berühmteste Aufnahme. Sie zeigt die Situation am Ende der Schlacht von Passchendaele in Flandern: Soldaten, halb versunken im schlammigen Feld, beugen sich über ihre gefallenen Kameraden. Hurley fing die schauerliche Szene mit der Kamera ein und montierte in der Dunkelkammer einen künstlichen Gewitterhimmel in das Bild. Düstere Wolken und Unwetterstimmung verliehen dem Schauplatz des Schreckens noch mehr Dramatik (er verstand das übrigens nicht als Manipulation und sprach auch offen darüber). Fotografen (insbesondere Fotojournalisten) müssen sich also auch der ethischen Dimension ihrer Aufgabe bewusst sein. Wird ein Bild dennoch extrem stark nachbearbeitet, werden also Retusche oder Montage angewendet, sollte das Bild als „bearbeitet“ gekennzeichnet werden.
Bilder bearbeiten bis zur Verletzung der Persönlichkeitsrechte?
Wegretuschierte Schweißflecken bei Kanzlerin Merkel, ein ins Bild gemogelter Stinkefinger auf dem netten Partyfoto oder andere Schummeleien … Ab wann verletzt Bildbearbeitung eigentlich die Persönlichkeitsrechte? Hier eine Grenze zu ziehen, ist gar nicht so leicht, deshalb sind schon viele solcher Fälle vor Gericht gelandet. Allgemein kann man sagen: Ist die fotografierte Person auf dem Bild unvorteilhaft getroffen oder gefällt sich nicht, muss sie das dulden (sofern sie einer Veröffentlichung im Vornherein zugestimmt hat). Nimmt der Fotograf allerdings bewusst Veränderungen vor, die das Gesamterscheinungsbild der Person verfremden oder die Aussage des Fotos verändern, ist das nicht rechtens (übrigens auch nicht, wenn es sich um gut gemeinte Veränderungen handelt). Betroffene können juristisch dagegen vorgehen.
Fotos mit Bildbearbeitungsprogrammen optimieren – Tipps für Nicht-Profis
Gerade wenn es um unsere eigenen Fotos geht, verstehen wir die Eitelkeiten mancher Fotografen, die es mit der Perfektion auf die Spitze treiben auf einmal ganz gut. Denn wenn wir unser eigenes Erscheinungsbild für die Ewigkeit festhalten möchten, werden wir plötzlich sehr kulant, wenn es um die Ethik der Bildbearbeitung geht. Dann schrauben wir doch gerne einmal mit einer einfachen Software an unserer Figur herum, legen einen Filter über das Selfie bei Instagram oder hübschen unser Profilbild bei Facebook mit der Filter-App auf. Gerade in den sozialen Medien nehmen wir es im Zweifelsfall eben nicht so genau mit der Wahrheit.
Aber auch aus unseren Erinnerungsfotos, zum Beispiel denen vom letzten Urlaub, möchten wir am liebsten durch Bearbeiten das Beste herausholen. Finden wir uns auf dem Strandlaken nicht präsentabel genug, dann holen wir uns einfach eine nette App und entfernen damit kleine Unstimmigkeiten im Gesicht, bearbeiten den Wohlstandbauch ein wenig und erschaffen so ein Ich, das uns viel besser gefällt.
Fast jedes Fotoprogramm verfügt über die wichtigen Werkzeuge, die es dazu braucht. Für ganz Bequeme: Die meisten Bildbearbeitungsprogramme haben eine vollautomatische Bildkorrektur. Wird sie angewendet, optimiert die Software die Aufnahme ganz automatisch. Allerdings klappt das unter schwierigen Verhältnissen nicht immer. Ist mehr zu tun, empfiehlt es sich selbst Hand anzulegen.Wenn Sie sich für Bildbearbeitung interessieren und gerne lernen möchten, wie das geht, empfehlen wir Ihnen gleich auf das Bildbearbeitungsprogramm schlechthin zu setzen: Adobe Photoshop, mit dem wir auch im Studio1® arbeiten. Die Software gibt es auch in weniger kostenintensiven Varianten, die aber ähnliche Funktionen wie die Profiausführung mitbringen (z. B. Photoshop Elements). Wenn Sie sich in dem Programm einmal ausprobieren möchten, wollen wir Ihnen einige der wichtigsten Photoshop-Werkzeuge mit auf den Weg geben.
Tipp 1: Fotos gerade rücken und Zuschneiden
Sie haben ein tolles Motiv fotografiert, aber die Szene leider etwas schief eingefangen oder möchten den Bildausschnitt ändern? Mit dem Freistellungswerkzeug können Sie sowohl die Bildausrichtung als auch den Bildausschnitt neu definieren – optional unter Vorgabe fester Höhen- und Seitenverhältnisse. Legen Sie den neuen Bildausschnitt mit „per Eingabe“ und Klick auf „Ok“ fest.
Tipp 2: Sattere Farben
Urlaubsbilder mit Sonne, Strand und Meer wirken durch das Bearbeiten der Farben viel realer und machen gleich Lust, die Koffer wieder zu packen. Mit der Einstellungsebene „Farbton/Sättigung“ haben Sie die Möglichkeit, Farbtöne, Sättigungen und Helligkeiten Ihres Fotos zu verändern. Schieben Sie den Regler „Sättigung“ einfach ein bisschen hin und her, bis Sie das gewünschte Ergebnis sehen.
Tipp 3: Fotos Strahlkraft verleihen
In Photoshop haben Sie mit der Einstellungsebene „Gradiationskurven“ und den Vorgaben „linearer“, „mittlerer“ oder „starker Kontrast“ die Möglichkeit, den Kontrast im Bild zu erhöhen.Tipp 4: Retusche und FehlerkorrekturDie Bierflasche auf dem Tisch, die Hand im Bildrand, die wüste Haarsträhne im Wind ... störende Bildelemente lassen Sich mit den Werkzeugen „Bereichsreparaturpinsel“, „Ausbessern-Werkzeug“ und „Kopierstempel“ mit etwas Übung gekonnt retuschieren. Bei diesem Werkzeug können Sie je nach Umfang der Korrektur zwischen unterschiedlichen Pinseldicken wählen. „Malen“ Sie einfach mit dem Pinsel über den Stein des Anstoßes (erfordert ein bisschen Übung).
Bildquelle: ©MishaBeliy/istock.com